Suchterkrankungen sind in der Bevölkerung weit verbreitet. Entsprechend oft kommen Patienten mit Suchterkrankungen auch in die Hausarztpraxis. Unser angehender Facharzt für Psychiatrie, Oliver Matthes, hat deshalb einen Vortrag zum Thema „Suchtpatienten in der Praxis“ gehalten. Den Inhalt stellen wir Ihnen hier vor.
Gespür gefragt
Im Jahr 2012 haben 17.4 % der männlichen Schweizer Bevölkerung täglich Alkohol konsumiert; 28 % der Schweizerinnen und Schweizer sind Raucherinnen und Raucher. Die Folgekosten für die Gesellschaft aufgrund von Alkoholkonsum belaufen sich auf über 4 Milliarden CHF jährlich.
Da der Anteil der Suchtbetroffenen in der Bevölkerung hoch ist, sitzen viele von ihnen irgendwann im Behandlungszimmer eines Hausarztes. Dadurch erhält dieser die Möglichkeit, Hinweise für Suchterkrankungen zu erkennen und anzusprechen. Dabei ist einiges Gespür gefragt: es braucht ein Vertrauensverhältnis, welches offenes Nachfragen und den Aufbau einer Motivation zur Behandlung ermöglicht.
Suchtkrankheiten sind behandelbar
Suchtkrankheiten sind überwindbar. Wissenschaftlich gestützte Behandlungen erreichen sehr gute Ergebnisse. Oliver Matthes hat die drei häufigsten – die Abhängigkeiten von Alkohol, Tabak sowie Schlaf- und Beruhigungsmedikamenten – in seinem Vortrag erläutert.
Alkohol
Hat sich der Patient – gemeinsam mit dem Arzt – für eine Behandlung entschieden, ist ein Alkoholentzug der erste Schritt.
Schritt 1: Die körperliche Entgiftung
Es ist in vielen Fällen möglich, einen Alkoholentzug in der Hausarztpraxis durchzuführen. Um die körperlichen und psychischen Entzugserscheinungen im Alkoholentzug zu behandeln und das Risiko von Komplikationen herabzusetzen, werden gezielt Medikamente eingesetzt.
Eine enge Begleitung in dieser ersten Phase ist wichtig. Dabei kommt die Patientin / der Patient zu Beginn meist täglich in die Praxis, um den Entzug zu überwachen und die Behandlung anzupassen.
Schritt 2: Das Rückfallrisiko minimieren
Wenn die Entgiftung abgeschlossen ist, werden die eingesetzten Medikamente schrittweise ausgeschlichen. Um während der anschliessenden Wochen bis Monate das Rückfallrisiko zu senken, werden häufig Medikamente eingesetzt, die das Verlangen nach Alkoholkonsum senken.
Eine begleitende psychotherapeutische Behandlung kann das Risiko für einen Rückfall senken und zur Bewältigung der Sucht beitragen.
Tabak
Für einen ärztlich unterstützten Rauchstopp stehen heutzutage zahlreiche wissenschaftlich fundierte Therapiemöglichkeiten zur Verfügung. Das sind zum einen die klassischen Nikotinersatz-Präparate in Form von Pflastern, Sprays oder Kaugummi. Zum anderen gibt es moderne Therapien mit Medikamenten, die den Wunsch nach Zigarettenkonsum reduzieren. Darüber hinaus kann der Arzt auf spezialisierte Angebote wie Rauchstoppgruppen verweisen.
Die Behandlung dauert meist einige Wochen. Je länger jemand nicht mehr raucht, desto höher ist die Chance, dass dies auch so bleibt.
Medikamente
Die Abhängigkeit von Schlaf- und Beruhigungsmitteln beginnt meist im Behandlungszimmer des Arztes. Deshalb ist es wichtig, Medikamente so abzugeben, dass es gar nicht erst zu einer Abhängigkeit kommt.
Wir wenden deshalb in unserer Praxis, wenn immer möglich „Die 4-K-Regel“ an:
- Klare Indikation (also einen klaren Grund für die Behandlung, z. B. eine akute Krise)
- Kleine Dosis (idealerweise nicht nach Bedarf, sondern als feste Abgabedosis)
- Kurze Anwendung (max. 4 Wochen)
- Kein abruptes Absetzen
Falls nach längerer Anwendung von Schlaf- und Beruhigungsmitteln eine Abhängigkeit besteht, ist ein Entzug dringend zu empfehlen. Der längerfristige Konsum kann schädliche Auswirkungen haben und die gilt es zu verhindern. Dabei wird die Dosis des Medikaments ärztlich begleitet so lange in kleinen Schritten reduziert, bis ein Absetzen möglich ist.
Begleitend kann eine Psychotherapie oder eine Behandlung mit Medikamenten, die nicht abhängig machen, sinnvoll sein.
Fazit
Die Behandlung von Abhängigkeitserkrankungen ist in vielen Fällen in der Hausarztpraxis möglich und bedarf keines Klinikaufenthaltes. So kann die Patientin / der Patient ihren oder seinen (Berufs-)Alltag fortsetzen. Eine Behandlung lohnt sich in jedem Fall. Und: es ist nie zu spät dafür!
Leiden Sie unter einer Sucht? Melden Sie sich bei uns, wir helfen Ihnen bei Ihren Schritten in Richtung Suchtfreiheit!