Innerhalb kurzer Zeit missbraucht ein Mann zwei Mal die Krankenkassenkarte der Ehefrau, damit sich seine Freundinnen in der Hausarztpraxis ärztlich untersuchen und behandeln lassen können.
Die Methoden von Kartenbetrügern sind meist simpel: Mehrere nicht Versicherte nutzen beispielsweise gemeinsam eine Krankenkassenkarte oder es reisen aus dem Ausland Patienten an, die sich mit einer Karte von Verwandten oder Bekannten in einer Arztpraxis behandeln lassen. Ein ähnlicher Fall ereignete sich kürzlich in der Praxis am Bahnhof in Rüti ZH.
Eine Karte – mehrere Patienten
Im November 2018 kommt Ali K.* in die Praxis am Bahnhof. Eine Frau begleitet ihn. Er stellt sie als seine Ehefrau vor und händigt der medizinischen Praxisassistentin am Empfang die Krankenkassenkarte aus. Die Frau klagt über eine Erkältung. Sie wird behandelt. Die Krankenkasse schickt die Rechnung über die Behandlungskosten an Selma K.*, die Ehefrau von Ali K. Diese wundert sich über die erhaltene Rechnung, denn seit über einem Jahr war sie nicht mehr beim Arzt. Sie geht von einer Verwechslung aus und meldet sich bei ihrer Krankenkasse, die den Vorfall umgehend mit der Praxis am Bahnhof bespricht. Ein erster Betrugsverdacht kommt auf und bestätigt sich, als Selma K. die Praxis am Bahnhof aufsucht. Die damals behandelnde Ärztin erkennt sofort, dass es sich bei ihr um eine andere Person handelt. Die Rechnung wird storniert und die Praxis am Bahnhof wie auch die Krankenkasse bleiben auf dem offenen Rechnungsbetrag sitzen. Die Betrügerin, welche sich als Ehefrau von Ali K. ausgegeben hat, ist aufgrund fehlender Daten nicht kontaktierbar und kann somit nicht zur Rechenschaft gezogen werden.
Einige Monate später kommt Selma K. unter Bauchschmerzen in die Praxis am Bahnhof. Sie wird vom hausinternen Gynäkologen untersucht. Nur wenige Tage später besucht auch Ali K. die Praxis. Erneut begleitet ihn eine Frau, die er wiederum als seine Ehefrau vorstellt. Sie fühlt sich nicht wohl. Dr. Kranenburg ermittelt die Krankengeschichte und stellt fest, dass die Frau offensichtlich nichts vom kürzlich stattgefundenen Besuch beim Gynäkologen weiss. An diesem Punkt stutzt die Ärztin. In der Patientenakte ist klar und deutlich eine gynäkologische Behandlung vermerkt. Um dem Leiden der Frau trotzdem auf den Grund zu gehen, macht Dr. Kranenburg eine Laboruntersuchung und schickt die Proben ins Laboratorium. Nachdem das Paar die Praxis verlassen hat, meldet sie den Vorfall der Geschäftsleitung und bespricht den Verdacht mit Dr. Zeller, dem leitenden Arzt. Er will der Sache unter allen Umständen nachgehen. Bei der gemeinsamen Besprechung der Laborwerte drei Tage nach dem Untersuch spricht Dr. Kranenburg Ali K. auf die Unstimmigkeiten in der Krankengeschichte seiner Ehefrau an. Obwohl Ali K. ein aggressives Verhalten nachgesagt wird, reagiert er gelassen. Ein Besuch beim Gynäkologen sei ihm nicht bekannt. Um sich vollständige Klarheit über die Identität der beiden zu verschaffen, bittet Dr. Kranenburg darum, die Personalausweise zu sehen. Trotz sprachbedingten Verständigungsproblemen macht Ali K. klar, dass das Paar die Ausweispapiere nicht bei sich hat. Er bietet an, diese im Auto zu holen und verlässt die Praxis. Weder Ali K. noch seine Begleitung sind je wieder in der Praxis erschienen.
Zwei Vergehen innerhalb kurzer Zeit
Auch nach diesem Vorfall verzeichnen die Praxis am Bahnhof sowie das Laboratorium Verluste. Denn auch diese Rechnung muss storniert werden. Um die entstandenen Aufwände zu decken, entscheidet sich die Praxis am Bahnhof Ali K. eine Privatrechnung per Einschreiben zuzusenden. Er hat den Brief nie auf der entsprechenden Poststelle abgeholt. Ob es sich beim zweiten Fall um die gleiche Person handelt wie beim Ersten oder es zwei verschiedene Frauen sind, die Ali K. als vermeintliche Ehefrau vorstellte, ist unklar.
«Ein Foto für die Patientenkartei kann Missbrauch der Krankenkassenkarte zu 100% ausschliessen.»
Schutzmassnahmen
Die Praxis am Bahnhof konzentriert sich auf folgende Lösung: Wann immer möglich und vom Patienten ausdrücklich erlaubt, macht die medizinische Praxisassistentin direkt am Empfang ein Foto für die Krankenakte. So schliesst man einen Missbrauch der Krankenkassenkarte zu 100% aus. Ein weiterer Vorteil ist, dass Ärzte ihre Patienten besser erkennen und auch persönlicher ansprechen können. Bei Verdachtsfällen ist es denkbar das Geburtsdatum zu erfragen oder den Personalausweis zu verlangen. Liegt ein Betrugsfall vor, macht die Praxis am Bahnhof Meldung an die Krankenkasse oder andere involvierte Stellen. Gegebenenfalls schalten diese ihre Anwälte ein. Da Arztrechnungen, die Leistungen aus der obligatorischen Grundversicherung aufweisen, in der Regel von den Krankenkassen bezahlt werden, hat die Praxis am Bahnhof keinerlei Möglichkeit Betrüger direkt anzuzeigen. Dies kann lediglich die Krankenkasse selber sowie die betrogene Person. Die Praxis am Bahnhof steht aber als Zeugin zur Verfügung.
Selma K. macht aus verschiedenen Gründen keine Anzeige gegen ihren Mann. Es bleibt zu hoffen, dass es ihr den Umständen entsprechend gut geht. Die Polizei ist über die Vorfälle informiert.
*Namen und Daten geändert