Die Zeitspanne, bis Medikamente auf den Markt kommen, ist von verschiedenen Faktoren abhängig. Im Durchschnitt dauert eine Zulassung etwa 10 bis 15 Jahre. Diese Zeit umfasst den gesamten Entwicklungsprozess – von der Entdeckung eines Stoffes bis zur Markteinführung – und wird in verschiedenste Phasen eingeteilt. Welche das sind und was für wichtige Faktoren es dabei zu beachten gibt, lesen Sie in diesem Blog.
Vorneweg: nicht alle Medikamente, die in der Entwicklung sind, durchlaufen alle Phasen einer Markteinführung erfolgreich. Viele Wirkstoffkandidaten scheitern zum Beispiel während der sehr wichtigen präklinischen Forschung oder den klinischen Studien aufgrund von Sicherheitsbedenken, mangelnder Wirksamkeit oder anderen Gründen.
Viele Phasen bis zur Einführung von Medikamenten
Die Entstehung von Medikamenten ist ein komplexer und langwieriger Prozess, der aus mehreren Phasen besteht. Von der Entdeckung neuer Wirkstoffe bis zur Zulassung und Markteinführung eines Medikaments vergehen in der Regel oft mehr als zehn Jahre. Jeder dieser Phasenschritte ist wichtig und entscheidet am Ende über Erfolg oder Misserfolg eines Medikamentes.
- Identifizierung und Auswahl von Zielmolekülen
Forscher identifizieren und untersuchen zunächst biologische Zielmoleküle, die an der Entstehung oder Progression von Krankheiten beteiligt sind. Durch das gezielte Beeinflussen dieser Zielmoleküle können Medikamente die Krankheitsprozesse modulieren und so die Symptome lindern oder die Krankheit heilen. Zu den Zielmolekülen zählen in der Regel Proteine, Nukleinsäuren (DNA, RNA) oder Signalwege (komplexe Netzwerke aus Proteinen und anderen Molekülen). - Wirkstoffsuche
Nachdem ein Zielmolekül identifiziert wurde, beginnt die Suche nach geeigneten Wirkstoffen, die an dieses Molekül binden und es beeinflussen können. Dafür werden oft tausende von chemischen Verbindungen getestet. - präklinische Forschung
In dieser Phase werden die Wirkstoffkandidaten mittels Laborversuche (in vitro) und Tierversuche (in vivo) untersucht. Dabei werden ihre Wirksamkeit, Verträglichkeit und mögliche Nebenwirkungen analysiert. Nur die vielversprechendsten Kandidaten gelangen in die klinische Entwicklung. Die präklinische Forschung ist ein entscheidender Schritt bei der Medikamentenentwicklung, da sie dazu beiträgt, das Risiko für menschliche Probanden während der klinischen Studien zu minimieren. Diese Phase dauert meist 2 – 5 Jahre. - klinische Entwicklung
Bei der klinischen Entwicklung werden die Wirkstoffkandidaten aus der präklinischen Phase weiter getestet. Dieser Teil der Forschung setzt sich aus mehreren Phasen zusammen.
a. Phase I: In dieser Phase werden die Sicherheit und Verträglichkeit des Wirkstoffs bei gesunden Freiwilligen untersucht. Es werden auch Informationen über Dosierung und Nebenwirkungen gesammelt.
b. Phase II: Die Phase II-Studien testen den Wirkstoff an einer kleinen Gruppe von Patienten, um die Wirksamkeit und optimale Dosierung zu ermitteln. In dieser Phase wird auch die Sicherheit des Medikaments weiterhin überwacht.
c. Phase III: Diese Studien umfassen eine grössere Anzahl von Patienten und dienen der Bestätigung der Wirksamkeit und Sicherheit des Medikaments. Diese Studien sind entscheidend für die Zulassung des Medikaments. - Zulassung
Nachdem die Phase III-Studien abgeschlossen sind, reicht der Hersteller einen Zulassungsantrag bei der zuständigen Arzneimittelbehörde ein. Diese prüft die eingereichten Daten und entscheidet, ob das Medikament zugelassen wird. - Markteinführung
Nach der Zulassung kann das Medikament auf den Markt gebracht werden. Pharmazeutische Unternehmen sind verpflichtet, die Sicherheit und Wirksamkeit ihrer Medikamente auch nach der Markteinführung weiterhin zu überwachen und mögliche Nebenwirkungen zu melden. - Pharmakovigilanz
Nach der Markteinführung folgt ein kontinuierlicher Prozess zur Überwachung der Sicherheit von Medikamenten – die Pharmakovigilanz. Sollten neue Risiken oder Nebenwirkungen auftreten, können entsprechende Massnahmen ergriffen werden, wie z. B. die Anpassungen der Packungsbeilage oder im schlimmsten Fall der Rückzug des Medikaments vom Markt.
Schnell und doch zuverlässig
In einigen Fällen kann der Zulassungsprozess auch beschleunigt werden. Das geschieht insbesondere bei dringend benötigten Medikamenten zur Behandlung schwerwiegender oder lebensbedrohlicher Erkrankungen. Dieses sogenannte beschleunigte Zulassungsverfahren hat den Vorteil, dass ein Medikament schneller auf den Markt kommt. Wichtig: solche Verfahren unterliegen strengen Kriterien und werden nur für Medikamente angewendet, die einen erheblichen therapeutischen Fortschritt gegenüber vorhandenen Behandlungen darstellen.
Wer stellt sich für klinische Studien zur Verfügung?
Forscher arbeiten häufig mit medizinischen Einrichtungen und Fachärzten zusammen, um Patienten zu identifizieren, die für eine bestimmte Studie geeignet sind. Auch Patientenorganisationen oder Selbsthilfegruppen können auf klinische Studien aufmerksam gemacht werden, um mögliche Teilnehmer zu finden. In einigen Fällen machen Forschungsinstitute auch Werbung in Zeitungen, im Radio, Fernsehen oder Internet. Bei Letzterem gibt es spezialisierte Online-Plattformen und Register, die Informationen über laufende klinische Studien bereitstellen und Interessenten die Möglichkeit bieten, sich für Studien anzumelden. Wie bei anderen Unternehmen auch, spielen die Mund-zu-Mund-Propaganda oder Soziale Medien eine nicht minder wichtige Rolle um Freiwillige für klinische Studien zu gewinnen.
Bedingungen für Studienteilnahme
Freiwillige, die an klinischen Studien teilnehmen, müssen umfassend über den Zweck, den Ablauf, mögliche Risiken und Nutzen der Studie informiert werden. Dies geschieht im Rahmen des Informed Consent (aufgeklärte Einwilligung), bei dem die Probanden ihre Zustimmung zur Teilnahme an der Studie geben. Klinische Studien finden immer – ausnahmslos – im Einverständnis mit den Probanden oder Patienten statt. Die Einhaltung ethischer Grundsätze und die Achtung der Rechte und Würde der Teilnehmer sind wesentliche Voraussetzungen für die Durchführung von klinischen Studien und ein wichtiger Schutz für die Gesundheit und Sicherheit der Teilnehmer.
Klinische Studien bei Kinder-Medikamenten
Auch Kinder-Medikamente werden in der Regel durch klinische Studien an Kindern getestet. Diese Studien sind notwendig, um die Sicherheit, Wirksamkeit und Dosierung von Medikamenten bei Kindern zu bestimmen, da sich ihre Reaktion auf Medikamente von der von Erwachsenen unterscheiden kann. Diese klinischen Studien sind jedoch komplizierter als bei Erwachsenen, da die Teilnahme von Kindern an Studien ethische und rechtliche Fragen aufwirft. Daher gibt es spezielle Vorschriften und Richtlinien für die Durchführung von klinischen Studien bei Kindern. Die Studien müssen auch von einer unabhängigen Ethikkommission genehmigt werden, um sicherzustellen, dass sie ethisch und sicher sind.
Bereits etablierte Medikamente vom Markt genommen
Treten bei einem Medikament trotz erfolgreicher Markteiführung im weiteren Verlauf erhebliche Sicherheitsbedenken auf, zum Beispiel wegen schwerwiegenden Nebenwirkungen, kann auch ein bereits etabliertes Medikament vom Markt genommen werden. Gleiches gilt, wenn ein Medikament nicht so wirksam ist, wie es sein sollte oder wenn ein Medikament nicht rentabel genug ist. Die Entscheidung, ein Medikament vom Markt zu nehmen, ist schwierig und muss sorgfältig abgewogen werden. Es ist wichtig, dass die Sicherheit und Wirksamkeit von Medikamenten kontinuierlich überwacht werden, um sicherzustellen, dass sie den höchsten Standards entsprechen und den Patienten zu Gute kommen.
Nicht nur die Entstehung von Medikamenten ist wichtig, sondern auch, wie verschiedene Medikamente miteinander wirken. Wenn Sie mehrere Medikamente einnehmen müssen und unsicher sind, wie deren Wechselwirkung ist: wir haben bei uns im Team einen Pharmakologen, der sich bestens damit auskennt. Kontaktieren Sie uns ungeniert!
Zum anhören: Podcast mit Ali Sigaroudi, Pharmakologe in der Praxis am Bahnhof