Sie retten Leben oder weniger drastisch: sie lassen bakterielle Infekte schneller abklingen, sie bringen aber auch die Darmflora durcheinander – die Antibiotika. Der Ruf des bakterientötenden Mittels in der Bevölkerung ist sehr unterschiedlich, während es die einen verteufeln, wollen andere jeden Schnupfen damit kurieren.
Geschichte des Antibiotikums oder Penicillin
Wer sich vor der Entdeckung des Penicillins eine Wunde zuzog, die sich entzündete oder zu einer Blutvergiftung führte, starb mit grosser Wahrscheinlichkeit daran. Auch der Wundbrand nach chirurgischen Eingriffen bedeutete eine todbringende Diagnose.
Obwohl schon andere vor ihm der bakterienabtötenden Wirkung von Schimmelpilzen auf die Spur kamen, gilt Alexander Fleming als Entdecker des Penicillins – des ersten Antibiotikums. Flemming hatte eine Kultur mit Staphylokokken angelegt und diese vergessen. Bei seiner Rückkehr nach den Sommerferien, sah er, dass auf dem Nährboden ein Schimmelpilz wuchs, in dessen Nähe sich die Bakterien nicht vermehrten. Er nannte den Stoff, den er daraus gewinnen konnte, Penicillin und veröffentlichte seine Ergebnisse 1929.
Es sollte weitere 10 Jahre dauern bis aus dem Wunder bewirkenden Stoff langsam ein Medikament entwickelt wurde, das in vernünftig grossen Mengen hergestellt werden konnte.
Im ersten Weltkrieg wurden noch wenige Verwundete mit Antibiotika behandelt. Als der zweite Weltkrieg seine Schrecken über die Menschheit brachte, konnte bereits vielen verwundeten Soldaten das Leben gerettet werden.
Erster Patient: schneller Erfolg mit traurigem Ausgang der Geschichte
Schon als man den ersten Patienten mit Penicillin behandelte, stellte sich heraus, dass eine lange Einnahmedauer notwendig ist. Der Polizist Albert Alexander hatte sich beim Rosenschneiden einen Kratzer im Gesicht zugezogen, dieser führte zu einer Blutvergiftung. Nachdem nichts anderes half, versuchten die Ärzte die damals experimentelle Therapie mit Penicillin. Das Fieber sank rasch und der Gesundheitszustand verbesserte sich markant, er schien über den Berg zu sein. Nach fünf Tagen war allerdings der Vorrat aufgebraucht. Alexanders Zustand verschlechterte sich rapide und er verstarb. Er hätte das Mittel für sieben bis zehn Tage benötigt.
Starke Dosierung – lange Verabreichung
Aus diesem Grund ist es wichtig, die Antibiotika über die verschriebene Dauer einzunehmen und nicht abzubrechen, wenn es einem wieder besser geht. Auch die Dosierung sollte von allem Anfang an, hoch angesetzt werden.
In den ersten Tagen einer Antibiotika-Einnahme sterben um die 90% der Bakterien ab. Das Problem sind die restlichen 10%. Ist die Dosis zu tief, überleben unter Umständen genau diese starken, hartnäckigen Bakterien und bilden die gefürchteten Resistenzen.
Antibiotika in der Hausarztpraxis
In der Hausarztpraxis gilt der Grundsatz «so wenig wie möglich, so viel wie nötig». Was bedeutet, dass wir Antibiotika nur in klar notwendigen Fällen verabreichen. Einer Erkältung beispielsweise liegt meist ein Virus zu Grunde und eben keine Bakterien. Das Antibiotika hilft demnach nichts, ausser dass es die guten Bakterien in der Darmflora angreift. Wohingegen eine Blasenentzündung häufig bakterielle Ursachen hat. Man muss auch diese nicht unbedingt antibiotisch behandeln, oft reichen entzündungshemmende Schmerzmittel.
Was sich nach einer Einnahme von Antibiotika empfiehlt, ist die Darmflora wieder aufzubauen nach dem Ende der Kur.
Die einen bestehen darauf – die andern verteufeln es
Die meisten Patienten verlassen sich auf die Empfehlung ihrer Ärztin, was Antibiotika anbelangt. Bei einigen löst das Medikament aber Emotionen aus, wie kaum ein anderes. Es gibt diejenigen, die bei einer Erkältung sofort ein Antibiotikum möchten, weil es die anderen Male doch auch so gut geholfen hat. Da braucht es manchmal viel Überzeugungskraft der Ärztin, dass das Mittel jetzt nicht angebracht ist.
Es gibt auch eine Gruppe Patienten mit der genau gegenteiligen Meinung. Sie möchten auch bei hartnäckigen bakteriellen Entzündungsfällen die Einnahme eines Antibiotikums unbedingt vermeiden. Hier braucht es Überzeugungskraft in die andere Richtung.
Erst als mir der Arzt Antibiotika verschrieb, wurde es besser!
Was bei einer infektiösen Krankheit immer passieren kann ist Folgendes: Der Patient kommt zum Arzt, dieser untersucht ihn, findet keinen bakteriellen Infekt und rät ihm «Wir finden keinen bakteriellen Infekt. Nehmen Sie entzündungshemmende Schmerzmittel und warten Sie noch zwei/drei Tage, wenn es nicht besser ist, kommen Sie wieder.»
Wenn der Patient nun auf Antibiotika bestanden und diese nicht erhalten hat, kann es passieren, dass er den Arzt wechselt. Der neue Arzt untersucht ihn drei Tage später, findet Bakterien und verschreibt das gewünschte Antibiotikum. Der Patient denkt sich, «Wusste ich es doch, dieser erste Arzt hatte keine Ahnung».
Tatsächlich geschieht es manchmal, dass sich auf dem Boden des viral geschädigten Gewebes Bakterien festsetzen und dort der anfänglich virale Infekt zu einem bakteriellen wird. Hätte der Patient nochmal den ersten Arzt besucht, hätte auch dieser die bakterielle Infektion gefunden und mit einem Antibiotikum behandelt.
Resistenzen – gefährlich für Schwerkranke
Je mehr Menschen Antibiotika einnehmen, desto eher besteht die Gefahr, dass die Bakterien Resistenzen dagegen aufbauen können. Dies geschieht, weil wie vorhin erwähnt, die Kuren zu früh abgebrochen werden oder auch bei viralen Infekten, völlig unnützerweise ein Antibiotikum genommen wird.
In gewissen Ländern wie beispielsweise in Thailand sind die Mittel sogar frei verkäuflich und an einem Marktstand zu haben.
Während bei gesunden Menschen, ein gängiges Antibiotikum reicht um die Bakterien zu bekämpfen, wird es für schwerkranke Menschen im Spital teilweise schwierig. Die «Spitalkäfer», wie man sie im Volksmund nennt, sprechen oft nicht mehr auf antibiotische Mittel an, es braucht dann neue hochwirksame und sehr teure Medikamente um die Krankheit abzuwenden.
Das Medikament, das bei so Vielen unterschiedliche Emotionen auslöst ist also nüchtern betrachtet vor allem ein Heilsbringer, der einfach richtig verwendet werden muss.